Fahrradfahren in der Schweiz


Die neun ausgesuchten und gut beschilderten Velorouten in der Schweiz.

Eine Radtour von Tinka Weber, Matthias Weber und Peter Lenhard auf den Spuren der Schweizer Velotouren 1 und 2 im Juli 2001.


Wo alles begann: im Zug.
Drei einsame Räder unter (zum Glück nicht wirklich!) vielen Autos.
(Hinter diesem Link steckt eine Übersicht der Vorplanung, kleine Webspielerei mit Excel).
Matthias ist sehr stolz auf sein neues Liegerad, es ist seine erste große Tour damit.
Es begann am Freitag, den 13.7., mit der Zugfahrt nach Friedrichshafen. Wir trafen uns in Ulm und wollten eigentlich bis Lindau fahren, aber als der Zug in Friedrichshafen hielt, schlug Matthias vor, mit der Fähre über den Bodensee nach Romanshorn zu fahren. Er kannte diese Fährfahrt von Ausflügen mit seiner Familie und hatte nicht gewusst, dass der Zug über Friedrichshafen fuhr.
Hier! Bei der Arbeit!
Auf der Fähre aßen wir ausgiebig zu abend und genossen die schöne Aussicht.
In Romanshorn angekommen suchten wir den Bodenseeradweg auf und fuhren bis Rorschach.
Unser erster Zeltplatz mit Blick auf den See.
Der Bodensee.
Dort verließen wir den Bodensee und seinen Radweg und machten uns auf nach Rorschacherberg: Die Straßen von San Francisco sind nichts dagegen, schon bald erfreute uns ein Schild, das die Steigung mit 18 Prozent bezifferte und Tinka mit ihrem Rennrad und Peter mussten zeitweise schieben.
Außerhalb der Ortschaft, es dämmerte schon, wollten wir einen passablen Zeltplatz suchen, aber das war garnicht so einfach. Ein uraltes Paar, durch dessen Bauernhof die Landstraße führte (die einige Schweizer für eine Rennbahn zu halten schienen, aber tiefergelegte Golffahrer gibt es ja auch bei uns zur Genüge...), wies uns dann den Weg zu einer geeigneten Wiese, die nicht allzu steil war. Wir zelteten dann mit einem atemberaubend schönen Blick über den Bodensee, aber das sollte nicht die letzte gute Aussicht bleiben.
Der Fünfländerblick...
Am nächsten Morgen hatte uns gleich der Berg wieder, denn oben waren wir noch lange nicht. Und hier in den gemäßigten Bergen können die Straßen ganz schön fies steil sein. Naja, dann waren wir doch endlich auf der Höhe und nahmen prompt eine Abzweigung zum "Fünflanderblick". Das waren erstmal rund 15 Häuser in einem Dorf, sehr idyllisch, und nach einem kleinen Fußmarsch dann der Aussichtspunkt mit Benennung der fünf Länder. Wir hatten ja schon gerätselt, welche das seien: "Sieht man Liechtenstein von hier? Und kann man bis Frankreich sehen oder den Alpenhauptkamm mit der Grenze nach Italien?" Gepfiffen! Die Auflistung war: Baden, Württemberg, Bayern, Vorarlberg und Schweiz. Auch gut, der Blick war es jedenfalls wert.
(Nicht zu vergessen die kleine Anekdote von Matthias' Plastiktasse, die schon so viele Jahre ausgehalten hatte und just dann ihren Henkel abwerfen musste, als er den Morgenkaffee daran über Peters Schlafsack trug: Es ist durchaus angenehm, jeden Morgen mit Kaffeeduft geweckt zu werden, ohne erst welchen kochen zu müssen. Dennoch ist der Schlafsack mittlerweile gewaschen. Leider.)
Dann kam die erste Abfahrt, und die war wunderschön. An einem Fahrradladen in Heiden machten wir Halt und Tinka fragte nach Reifenkleber für ihre Schlauchreifen. Nach einiger Zeit hatte der gute Mann dann begriffen, was für einen altmodischen Artikel sie verlangte und hatte ihn tatsächlich am Lager. Matthias vergnügte sich derweil in der Bäckerei nebenan, wo wir uns dann noch zu dritt eindeckten. Interessantes Geschäft, sie verkaufen Lebkuchen und nennen sie Bieber und machen eine Kundenumfrage, für die man mit einem Gebäck belohnt wird. Hat natürlich nur Tinka gemacht, sie sollte sich auch später noch als die beste Kommunikatorin unter uns erweisen.
Dann ging es wieder etwas hinauf und endlich mit einer atemberaubenden Abfahrt mit schier unglaublichen Ausblicken über Bergdörfer und ins Rheintal hinunter nach Altstätten. Dort erholten wir uns von der Anstrengung in einem Kaffee in der malerischen Altstadt. Beim Blättern im Velotouren-Führer entdeckten wir dann, dass wir genau dieselber Stelle gefunden hatten wie der Fotograf auf der Suche nach schönen Bildern. Sollte auch nicht das letzte Mal bleiben.
Weiter ging es dann im Rheintal entlang, nun endlich auf der beschilderten "Veloroute Nr. 2" und gut gemacht meist abseits der Straßen auf geteerten Wirtschaftswegen. Mit Infrastruktur: Vor einem Gehöft ein Brunnen mit Schild "Kalte Getränke Selbstbedienung 2 Fr.", Kasse und vielen gekühlten Flaschen darin. Nette Idee. Hier war dann eine Rast angesagt, immerhin hatten wir die Siesta trotz Sonnenschein und Hitze ausgelassen. Mit dem Sonnenschutz "Ultrasun 20" rieben wir uns nochmal ein, ein Kauf aus dem Internet bzw. einer deutschen Apotheke auf der Suche nach dem sagenhaften P20 von 1988... Hier war noch alles in Ordnung, aber einige 10 Kilometer weiter entdeckte Peter dann einen Sonnenbrand auf seinen Beinen, der immer stärker zu Tage trat und ihm für die nächsten Tage erhalten bleiben sollte. Da waren dann die langen Hosen gefragt. Hat der Sonnenschutz versagt? Oder war die Einwirkzeit morgens vor dem Losfahren zu kurz? Wir waren ja sofort ins Schwitzen gekommen.
Am späteren Nachmittag zog sich der Himmel dann mehr und mehr zu, eine Erholung bezüglich der Sonne, aber leider mit einem starken Gegenwind verbunden. Trotzdem kamen wir beizeiten in Zizers kurz vor Chur an und schlugen uns trotz allseitiger Erschöpfung bis zum geplanten Zeltplatz beim "Gewerbepark Untervaz" durch: Flache Wiesen und Äcker rechts des Rheines, hatten wir gut anhand der Karte ausgesucht. Später nämlich wird das Rheintal zu eng für gute Zeltplätze. Diese Natur- und Gewerbenähe wurde auch noch belohnt: Einmal mit der Möglichkeit, in einer Kiesgrube zu baden (was nur Peter tat: aaahhh, war DAS schön kühl!) und einmal mit der Sichtung einer Viererreihe fuchsgroßer Tiere, die von einem Maisfeld ins andere vor uns den Weg überquerten. Tinka und Peter wollten nachsehen, was das für Tiere gewesen sein könnten, und wurden lautstark von einer Rasselbande aus vier jungen Dachsen beschimpft, die sich sichtlich "erwischt" wieder in das erste Maisfeld zurückzogen.
Schlauchreifen können einem ganz schön Arbeit machen.
Rafting in der Rheinschlucht (Fremdbild).
Blick in die Rheinschlucht (Fremdbild).
Am nächten Morgen regnete es, das war immerhin auch vorhergesagt gewesen, aber wir hatten Glück, bald hörte der Regen (nahezu) auf und wir konnten in Ruhe ein nasses Zelt einpacken. Wie geplant ging es weiter nach Chur zu einem ausgiebigen Frühstück. Chur soll die älteste Stadt nördlich der Alpen sein, aber ein spezieller Charme erschliesst sich wohl erst, wenn man sich der Stadt mehr widmet. Jedenfalls war der Brunch im Calanda (am Postplatz) sehr angenehm, schönes Buffet, warme Speigeleier mit Speck, mäßige Preise: Wir blieben bis zum Mittag. Dank des schlechten Wetters hatten wir auch keine Probleme, unsere Räder unter der Markise zwischen der Außenbestuhlung unterzubringen.
Von Chur radelten wir bis Tamins, wo auf den Punkt am Bahnhof Tinkas Hinterrad die Luft verlor. Wir stiegen nur wenige Minuten später in den Zug nach Ilanz, der uns durch die abenteuerliche Schlucht des Rheins fuhr und uns einen Auf- und Abstieg von einigen hundert Metern ersparte. Die Zugfahrt ist sehenswert, denn der Rhein gräbt sich dort tief und dynamisch durch das Geschiebe eines riesigen vorzeitlichen Bergsturzes: Wie der Gran Canyon (in klein und grau allerdings...)
In Ilanz flickte Tinka ihren Schlauchreifen und zog ihren Reservereifen auf. (Dr. Wussow am Schweinebauch ist nix dagegen. Ich wusste garnicht, dass man diese Reifen flicken kann. Ob das mal minimal invasiv durch das Ventilloch geht?)
8 Tonnen? Da geht noch was.
Nicht erspart blieb uns das Wetter: es war unglaublich trübe, donnerte und regnete immer heftiger. Die Veloroute führte uns auf einem Waldweg abseits der Straße, aber das war bei diesem Wetter keine Freude. An einer der typischen überdachten Schweizer Holzbrücken, die über den jungen Rhein (oder sollte ich braune Schlammmasse mit Holzstücken sagen) führte, machten wir Rast und warteten auf besseres Wetter. Leider
Blick zurück auf Disentis: Das Wetter ist schon viel besser geworden!
vergeblich. Die Brücke war aber schön trocken und eine imposante Konstruktion: freitragend und für 8 Tonnen ausgelegt, alles aus Holz. Leider nicht ruhig: Heerscharen von johlenden Kindern kamen aus dem Wald und zogen auf die andere Seite zum Bahnhof. Es war schwer, ein Nickerchen zu halten. Als wir dann doch endlich los wollten, war Tinkas Rad wieder platt. Wir behalfen uns aber zunächst mit Aufpumpen. Als wir dann doch endlich los wollten, war Peters Rad platt. Ein winziges Loch auf der Außenseite des Schlauches, im (kevlarverstärkten) Mantel nichts zu finden: sollte etwa einer dieser Rotzlöffel mit der Nadel ...? Das wird sich nie klären lassen. Jedenfalls war das die einzige Reifenpanne an Peters Rad.
Bei üblem Wetter kämpften wir uns bis Disentis durch: das hat uns aber allen dreien gereicht! Tinka fragte den Tankwart an einer geschlossenen Tankstelle (Sie hat aber auch ein Talent, die Richtigen zu finden!), der uns die Pension Schuoler empfahl und auch gerne für uns dort anrief. Wir müssen aber auch einen mitleiderweckenden Eindruck gemacht haben, so nass in dieser Kälte mittlerweile. Diese Pension war jedenfalls der richtige Griff: eine schon recht alte Dame bewirtschaftete sie alleine, sie stellte extra wegen uns die Heizung an (Im Juli!!! Meingott, was eine Kälte.) und erlaubte uns, unser Zelt in der Sauna zu trocknen (In die Sauna kommt man durch die Küche, aber es ist eben schon ein altes Holzhaus, alles verwinkelt.) Am Abend bekamen wir ein Bier bei der Dame und konnten in einem Fotoalbum ihres Schwagers blättern: Bilder von schier unglaublichen Schneemassen auf dem Oberalppass im Winter 1939/40, als Strasse und Bahnstrecke nur mit viel Arbeit, Schneetunneln und dergleichen offengehalten werden konnten.
Die heimelige und geheizte Pension Schuoler (Visitenkarte).
Wir schieben die Wolken vor uns her nach oben.
Morgens versah uns die nette alte Dame mit einem guten Frühstück und reichlich Kaffee sowie Tinka mit Nadel und Faden, damit sie ihre Reifenreparatur beenden konnte (endlich wieder ein Ersatzreifen) und uns alle mit einer aufmunternden Prognose: "Das Wetter soll besser werden. Aber ich glaube das nicht. Das sieht aus, wie wenn der Schnee kommt." Na, zum Glück lag Wettervorhersage besser als die Wirtin, es hörte wieder (nahezu) auf zu regnen und die Wolken zogen sich rund 100 Meter nach oben zurück. Wir brachen spät auf (halb elf?) und fanden nach der Beschreibung der Wirtin auch tatsächlich einen Fahrradhändler, der sich noch auf Schlauchreifen verstand ("Bei diesem kalten Wetter muss man die nicht kleben.") und Tinka ordentlich Luft gab. Als wir Disentis gegen 11 verliessen, kam uns ein radelndes Paar entgegen, vom Oberalppass herunter. Huh, waren die durchgefroren, und der Pass sollte in den Wolken liegen. Zum Glück waren wir so spät dran, denn wir schoben die Wolken bei Anstieg vor uns her und hatten bis zum Pass oben freie Sicht.
Passbild auf dem Oberalp.
Auf dem Weg zum Pass kamen wir an Sedrun vorbei, wo es eine Baustelle des Gotthardbasistunnels gibt: eine technische Meisterleistung, die da im Bau ist (Webseite im neuen Fenster hier). Oben schossen wir dann natürlich wieder Passfotos, wie sich das gehört. Bei der Abfahrt zog es sich aber schon wieder zu: wir hatten das optimale Fenster erwischt.
Die Wolken kommen zurück. Jetzt aber schnell nach unten.
Unten in Andermatt aßen wir erstmal in einer warmen und trockenen Gaststube leckere Rösti (bzw. "Fitnessteller", die Namensgebung der Speisen ist halt leider Sache der Wirte...) und machten uns dann auf in Richtung Westen. Wir durchquerten Hospenthal und fuhren bis Realp, wo wir uns einen guten Platz für die Nacht suchen wollten.
Ein trockenes und weiches Plätzchen gefunden, das hebt die Laune.
Den fanden wir nach einiger Suche auch in einem leeren Stall, in dessen Obergeschoß auch noch Heu lag, wie für uns gemacht. Direkt unter uns war das Portal des Furkabasistunnels und daneben der Bahnhof der alten Furkabahn, die wieder unter Dampf und mit Zahnradunterstützung bis zum Furkascheiteltunnel hinauf schnauft und dann bis Gletsch hinunter fährt (Webseite im neuen Fenster hier). In einigen Jahren soll dann die komplette Strecke bis Oberwald wieder befahren werden. Damit haben die Eisenbahnfreunde aber noch ein großes Stück Arbeit vor sich! Aber sie haben es ja auch geschafft, die originale alte Dampflok nach 20 Jahren im vietnamesischen Dschungel wieder in die Schweiz zu holen und zu restaurieren.
Sonne, Wind, Regen: Die Laune hält. Mit einem guten Frühstück allemal.
Am nächsten Tag war das Wetter tatsächlich wieder besser, und wir radelten los in Richtung Furkapass, nicht ohne kleine Unstimmigkeiten, ob wir uns ranhalten sollten mit dem Aufbruch (Tinka) oder ganz gemütlich machen, weil es eh noch zu früh sei (Peter). Grundsätze halt. Das Wetter spielte jedenfalls mit, und oben auf dem Pass war es nicht kälter als tags zuvor auf dem Oberalp, obwohl etliche huntert Meter höher. Auf dem Weg hatten wir etliche schöne Ausbicke, auch auf die alte Furkabahn, die sich mit uns ein Wettrennen lieferte. Die haben mit ihrer Dampflok ganz schön Dreck gemacht...
On the road again.
Das darf aber der Umweltminister nicht sehen...
Nach den obligaten Passfotos fuhren wir ab ins warme Wallis (hier Goms, sogar Obergoms genannt) und kamen tatsächlich in den Sommer. Wir hatten schon gedacht, der dauert hier womöglich nur von Anfang August bis Mitte August. Auf gut halber Höhe, beim Belvedere am Rhonegletscher, konnten wir einen Blick von oben (!) auf den Grimsel-Pass werfen: Lang ist's her, 13 Jahre. Dann ging es weiter (auf bekannter Route) bis Oberwald und weiter Richtung Brig.
...und das auch nicht!
Eine Obergomser Spezialität scheint die Bauform der alten Speicher zu sein: um die Ernte der kleinen Felder hier oben gut zu bewahren, haben sie früher die kompletten Gebäude auf Holzsäulen mit Steinplatten darauf gestellt, damit es die Mäuse auch schwer haben. Scheint aber geholfen zu haben, sonst hätten es nicht alle gemacht.
Geschafft! Der Furkapass war der höchste Punkt unserer Tour.
Vom Obergoms ins (Unter)goms ging es nochmal kräftig hinunter und wir fuhren an diesem Tag bis Brig, wo wir kurz vor der Stadt mal wieder unser Zelt aufbauten. Wir wagten es und haben das Zelt dann alleingelassen, um in der Stadt noch essen zu gehen. Am nächsten Tag nämlich trennten sich unsere Wege: Wir stiegen noch gemeinsam in denselben Zug über Kanderstag nach Basel, Matthias radelte ab Spiez am Thuner See dann in Richtung Heimat, Tinka musste wieder zu ihrer Familie und Peter war so erschöpft, dass er sich auch für die Heimfahrt entschieden hatte. Das Wetter war während der Bahnfahrt sehr schön, aber in der Heimat dann auch wieder durchwachsen.
Der Grimselpass von oben.
Blick zurück auf den Rhonegletscher, Belveder und die Furkastraße (von links).

Obergomser Speicherhäuschen
Drei Galgenvögel im Zug?
Auch zuhause (in Kaiserslautern) ist das Wetter durchwachsen.